Artikel von August 2019
Der Siebenschläfer (Glis glis) ist ein Nagetier und wie der Gartenschläfer und die Haselmaus gehört er zur Familie der Bilche. Äußerlich ist er dem Eichhörnchen ähnlich, allerdings wesentlich kleiner. Betrachtet man nur Gesicht und Körper, könnte man ihn auch mit einer Maus verwechseln, wäre da nicht sein buschiger Schwanz, den er bei Gefahr sogar teilweise abwerfen kann. Schwanzhaut samt Haare lösen sich dabei an einer Sollbruchstelle. Die offen liegenden Schwanzwirbel fallen dann mit der Zeit ab, der Schwanz bleibt danach etwas kürzer. Siebenschläfer sind ausnehmend gute Kletterer, ein klebriges Sohlensekret hilft ihnen dabei. Er ist überwiegend nachtaktiv, man sieht es auch an seinen großen Augen. Er scheut die Nähe des Menschen nicht und quartiert sich auch gerne in Dachböden, Nistkästen usw. ein. Seinen Namen hat er von seinem sieben Monate langen Winterschlaf. Von Oktober bis Mai überwintert er in 0,5 bis 1m tiefen Erdhöhlen und zehrt dabei von seinen Reserven, die er sich im Sommer angefressen hat. Bis zu 50% seines Körpergewichtes verliert er dabei.
Vier Siebenschläferbabys wurden nach einem Sturm letzten Jahres obdachlos, denn der alte Baum, in dem sie ihre Höhle hatten, wurde umgeworfen. Bei den folgenden Aufräumarbeiten wurden die Tiere von einem Taxifahrer entdeckt, der die Tiere aus Mitleid mitnahm, bevor sie den Kettensägen der Einsatzkräfte vor Ort zum Opfer fallen konnten. Familie Spitzer aus Bad Aibling, die sich am selben Tag auf dem Rückweg von einem Kurzurlaub befand, hielt dann genau das Taxi an, in dem außer dem Taxifahrer auch die vier Siebenschläfer in einer Schachtel saßen. Der Taxifahrer klagte der Familie sein Leid, denn er wusste eigentlich nicht, was er mit den Tieren anfangen sollte, die nötige Zeit hätte er als Taxifahrer sowieso nicht. Familie Spitzer nahm sich ein Herz und die Tiere mit nach Hause. Dort angekommen, wurde erst einmal recherchiert, was denn so ein Tierchen alles frisst und entsprechend eingekauft. Erdnüsse, Obst und Haferflocken wurden zu einem Brei zusammengerührt und die ausgehungerten kleinen Kerlchen damit aufgepäppelt. Der Appetit war groß und so waren die Kleinen erst einmal aus dem Gröbsten raus.
Eigentlich hatte die Familie nicht die Absicht, die Tiere über den Winter zu behalten und rief bei uns im Naturerlebnis Bruckmühl an. Da es sich um Wildtiere handelt und eine Entnahme aus der Natur laut Bundesnaturschutzgesetz nicht erlaubt ist, setzten wir uns mit der Unteren Naturschutzbehörde in Rosenheim in Verbindung und zogen anschließende den Veterinär und Naturschutzwächter Dr. Jochen Seydel aus Götting hinzu, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Wir kamen überein, dass Fam. Spitzer die Mühe auf sich nimmt, die Tiere über den Winter zu bringen und Dr. Seydel sie bei Bedarf unterstützt. Junge Siebenschläfer ohne Mutter noch so spät im Jahr sich selbst zu überlassen, wäre tödlich für sie gewesen. Familie Spitzer war sich durchaus im Klaren darüber, dass hier eine Menge Arbeit auf sie zukam, erbarmte sich aber trotzdem der Tiere – nochmals vielen, vielen Dank für den großen Einsatz.
Im Frühjahr sollten sie dann im Naturerlebnis Bruckmühl ausgewildert werden. Die Idee war, sie in der Nähe einer unserer Vogelfutterstationen frei zu lassen, damit sie, für den Anfang, mit Nüssen usw. versorgt wären. Die vorhandenen Kameras könnten dann Bilder von den Tieren machen und uns Informationen über und Videoaufnahmen von unseren Siebenschläfern liefern. Ende Mai 2019 war es dann soweit. Familie Spitzer brachte die Tiere in einem umfunktionierten Nistkasten, den wir direkt in der Nähe der Futterstation und im Aufnahmebereich der Kamera an einer alten Eiche befestigten. Anfangs waren die Kleinen noch skeptisch und blieben alle in ihrem Nest. Als es aber dunkel wurde, wagte sich der Erste zögernd heraus und es dauerte dann nicht lange, bis alle vier den Baum rauf und runter kletterten und offensichtlich ihre neue Freiheit genossen. Die Siebenschläfer-Party wurde von unserer Kamera aufgenommen und kann bei uns im Naturerlebnis Bruckmühl mittels Videoclip gezeigt werden. Das Ganze ging ca. drei Stunden und danach waren sie nicht mehr gesehen. Wir gehen davon aus, dass sie sich eine geräumigere Höhle im Salus Auwald-Biotop gesucht haben und vermuten, dass wir den Einen oder Anderen ab und zu mittels unserer Kameras wieder aufnehmen konnten.
Vor allem Familie Spitzer hat viel Energie und guten Willen in die Rettung der Tiere investiert. Generell ist die Rettung von Wildtieren aber immer problematisch und nicht jedem gelingt dies so gut wie der Familie Spitzer. Besser wäre es gewesen, die Tiere in ihrer Höhle vor Ort zu belassen und das Stück Baum, in der sich die Höhle befand, in der Nähe des alten Standortes wieder aufzustellen bzw. an einem anderen Baum in sicherer Höhe zu befestigen usw. Das Muttertier hätte seine Jungen sicher wieder gefunden und weiter versorgt. Ob solche Maßnahmen möglich sind, ist jedoch situationsabhängig. Leider ist es häufig so, dass die Einsatzkräfte für solche Problemstellungen überhaupt nicht sensibilisiert und vorbereitet sind. Es sollte honoriert und nicht belächelt werden, wenn, beispielsweise im Rahmen einer Nachsorge, Lösungen gefunden werden, um auch den Wildtieren zu helfen. Führungs- und zumindest ein Teil der Einsatzkräfte, sollten entsprechend geschult sein, die Zeichen zu erkennen, die auf einen Besiedelung durch Tiere schließen lassen. Gerade bei älteren Bäumen ist dies dringend notwendig, denn nicht selten sind auch streng geschützte Arten dort ansässig und diese dürfen nicht übersehen oder ignoriert werden. Im Zweifelsfall ist die Untere Naturschutzbehörde hinzuzuziehen.