Waldrapp (Geronticus Eremita)

Artikel von Juni 2021

Waldrapp

In der Nähe von Willing wurde ein sehr  markanter Gast gesichtet. Ein Waldrapp, auch Schopfibis genannt und einer der seltensten Vögel der Welt, ist bei uns zwischengelandet.

Nach einem sehr netten Gespräch mit Frau Trobe vom Waldrappteam in Kärnten stellte sich heraus, dass wir in unserer Gegend wohl regelmäßig im Frühjahr und Herbst Besuch von Waldrappen bekommen. Die Vögel machen bei uns Zwischenstation, wenn sie im Frühjahr aus der Toskana zurück zu ihrem Brutgebiet nach Burghausen ziehen bzw. im Herbst das kälter werdende Deutschland verlassen. 

Fiona war wohl die Waldrappdame, die bei uns am 24.04.21 von Frau Rose gesichtet wurde. Leider wurde sie südlich der Alpen etwas aufgehalten und somit war sie verhältnismäßig spät dran. In Burghausen fristet sie deshalb heuer ein Singeldasein, die Ärmste.

Woher wir das alles wissen: Die Tiere sind mit GPS-Sendern ausgestattet und daher jederzeit zu orten.  

Fiona war wohl auf der Suche nach Insekten, Würmern, Schnecken, kleineren Reptilien und Amphibien. Auch Pflanzliches verschmäht sie nicht. Weideflächen, gemähte Wiesen, Uferböschungen ob feucht oder trocken Waldrappe sind bei der Nahrungssuche rel. flexibel. 

Sie sind sehr gesellige Vögel. Bis zu über hundert Tiere können die Kolonien groß werden. Sie haben ein ausgeprägtes Begrüßungsritual, bei dem die Tiere sich voreinander verbeugen, den Kopf in den Nacken legen und dem Anderen damit ihre Kopfzeichnung zeigen. Fängt ein Pärchen damit an, begrüßen sich auch die Anderen. Selbst in Brutstimmung kommen sie erst in der Gruppe, einzelne Pärchen brüten nicht.

Eine der Aufzuchtstationen liegt in Burghausen. Dort nisten die Tiere am Pulverturm in Brutnischen der Burgmauer. Burghausen war ziemlich sicher bereits im Mittelalter ein Brutgebiet der Vögel, die damals weit verbreitet waren. Zumindest sind in einer mittelalterlichen Stadtansicht Burghausens Vögel zu erkennen, die wohl Waldrappe sind. Zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert wurden die Waldrappe in Europa ausgerottet – sie galten als besonders wohlschmeckend.

Einerseits lassen sich Waldrappe in Gruppen in Zoos relativ gut halten und vermehren, andererseits ist der Waldrapp ein Zugvogel, der die Flugroute in den Süden erst von seinen Eltern erlernen muss.

Um dieses Problem zu lösen, hat man sich das Phänomen der Prägung zu Nutze gemacht, das spätestens seit Konrad Lorenz bekannt ist. Dabei bekommen menschlichen Betreuer, die Waldrappe großziehen, gewissermaßen Elternstatus. Die Jungtiere folgen diesen Adoptiveltern überall hin. Wenn  sich diese dann in ein Ultraleichtflugzeug o. ä. setzen und damit über die Alpen nach Italien fliegen, dann fliegen die Jungtiere eben mit – zumindest nach einigem Training. Bei diesen „Überführungsaktionen“, bei denen den Jungtieren beigebracht wurde, wo in der Toskana sie überwintern sollen und wie sie dort hinkommen, entstanden spektakuläre Dokumentationen wie sie z. B. in der ARD unter W wie Wissen auch im Internet zu sehen sind.  

In den letzten Jahren wurde in Presse, Funk und Fernsehen öfter über solche Wiederansiedlungsprogramme im Rahmen des EU-Projektes (Life+ Nature and Biodiversity) berichtet. Österreich, Deutschland und Italien sind hierbei Partner, die dafür sorgen, dass Waldrappe sich in ihren Ländern wieder ansiedeln können. Unterstützt werden die Projekte auch vom WWF. Viele weitere interessante Informationen können Sie u. a. unter waldrapp.eu im Internet bekommen.

Viele der Tiere sind momentan noch handaufgezogen. Ihnen fehlt trotz der Auswilderungsprogramme noch die nötige Scheu zum Menschen. Bitte bleiben Sie deshalb auf Abstand, wenn Sie die Vögel entdecken.

Der Waldrapp hat auf seinem Zug nach Süden und zurück viele Gefahren zu überstehen. Stromleitungen, Bauaktivitäten, Pestizide und vor allem auch die illegale Jagd setzen den Beständen leider immer noch massiv zu.

Ein Video eines zwischengelandeten Waldrapp können wir ihnen im Naturerlebnis Bruckmühl leider bisher nicht präsentieren. Viele andere, mittlerweile auch schon sehr selten geworden Vogelarten, allerdings schon. Nach der Pandemie freuen wir uns schon auf Ihren Besuch.